14 May 2025

Superfly Ton für Ton | Zwischen Seoul und Soul

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Die neue Welle des koreanischen Neo-Soul & R&B. Wer in die Welt des koreanischen Neo-Soul und R&B eintaucht, entdeckt mehr als nur eine musikalische Richtung. Es ist ein vielschichtiges Klanguniversum, das sich über Jahrzehnte hinweg entwickelt hat – von ersten zaghaften Soul-Elementen in den 90ern bis hin zu düsteren, introspektiven Hymnen über Einsamkeit im Zeitalter sozialer Medien. (superfly.fm)

Shownotes

Begonnen hat alles in den frühen 90er Jahren, als eine Gruppe namens Solid damit experimentierte, amerikanischen R&B mit koreanischem Pop zu verschmelzen. Sie waren stilprägend – nicht nur musikalisch, sondern auch kulturell. Ihre gefühlvollen Harmonien öffneten eine Tür für das, was später zu einem innovativen und international gefeierten Genre werden sollte. In den 2000er Jahren verlieh Hwayobi, oft als „Queen of R&B“ betitelt, dem Genre eine neue Tiefe. Ihre kraftvolle Stimme und Balladen über Sehnsucht und Herzschmerz machten R&B für viele Koreaner*innen zur persönlichen Ausdrucksform. Es war nicht mehr nur ein importierter Sound – es wurde fühlbar koreanisch.

Als die 2010er anbrachen, war klar: Die neue Generation denkt das Genre weiter. Künstler wie Zion.T brachten eine Mischung aus Hip-Hop, R&B und elektronischen Elementen auf die Bühne – gleichzeitig verspielt und tiefgründig. Mit Songs wie „Yanghwa BRDG“ zeichnete er Szenen des Alltags nach, die durch seine warme Stimme fast poetisch wirken. Er erzählt über deine Kindheit, seine Familie und Erinnerungen…

Yerin Baek gehört zu den Künstlerinnen, die mit viel Subtilität große Wirkung erzielen. Ihre Songs klingen oft wie Tagebucheinträge, reduziert im Klang, reich an Emotion. Als sie mit „Square (2017)“ einen englischsprachigen Song an die Spitze der südkoreanischen Charts brachte, war das ein kulturelles Statement. In eine andere Richtung bewegt sich DeVita, deren dunkle, cineastische Klänge an Film-Noir erinnern. Mit Album-Werken wie „Crème“ und „American Gothic“ erschafft sie nicht nur Songs, sondern Atmosphären. 

Die introspektive Ader dieser Szene zieht sich auch durch die Arbeiten von Slchld (bedeutet Seoul Child), einem koreanisch-kanadischen Künstler, dessen Lo-Fi-R&B global Anklang findet. In Tracks wie „she likes spring, I prefer winter“ liegt eine schmerzhafte Ehrlichkeit – ein Gefühl von nicht ganz dazugehören, von zwischen den Jahreszeiten zu leben.

Und dann ist da noch DEAN, eine der prägendsten Figuren des koreanischen R&B der letzten Jahre. Sein Song „instagram“ ist nicht nur ein musikalischer Hit, sondern auch ein Zeitdokument. Der Track fängt die Leere ein, die viele nach endlosem Scrollen durch soziale Medien empfinden.

Musikalisch bleibt „instagram“ reduziert – eine Gitarrenlinie, zurückhaltende Beats, viel Raum für die Stimme. Die Leere wird zum Instrument, das Gefühl von Einsamkeit wird hörbar gemacht. Das Musikvideo verstärkt diese Wirkung, zeigt DEAN allein, verloren im digitalen Schwarz-Weiß-Raum. Ein Soundtrack für die stille Verzweiflung einer Generation.

Von Solid, über Hwayobi, zu DeVita bis hin zu bis DEAN, von den frühen 90ern bis heute – die koreanische R&B-Szene hat sich zu einer beeindruckenden kulturellen Bewegung entwickelt. Für alle, die Musik nicht nur hören, sondern fühlen wollen, ist sie eine der spannendsten Adressen weltweit.